BFH äußert sich zur Erstausbildung nach § 9 Abs. 6 EStG
Der BFH hat mit Urteil vom 12.01.2023 (VI R 41/20) bestätigt, dass es sich bei einer Ausbildung zum Rettungshelfer in den Jahren 2009 u. 2010 um eine Berufsausbildung i.S.d. § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG handelt. Das gilt auch für den Fall, dass die (Erst-)Ausbildung im Rahmen des Zivildienstes absolviert wird. Denn erforderlich war nach der alten Fassung des § 9 Abs. 6 EStG lediglich, dass in der Ausbildung die erforderlichen Grundlagen für die Ausübung eines Berufes (vorliegend: Rettungshelfer) vermittelt werden, die über die bloße Allgemeinbildung (Erste-Hilfe-Kurs o.Ä.) hinaus gehen. Eine bestimmte Mindestdauer und -qualität oder das Bestehen einer Prüfung war für den Werbungskostenabzug seinerzeit nicht erforderlich.
Der Kläger war somit nicht lediglich auf den Sonderausgabenabzug von max. 4.000 Euro im Jahr (ohne Verlustvortragsmöglichkeit) beschränkt. Vielmehr konnte er die Kosten für die nachfolgende Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer unbeschränkt als vorweggenommene Werbungskosten geltend machen und die Verluste vortragen.
Hinweise
§ 9 Abs. 6 EStG wurde erstmals im Jahr 2011 durch das BeitrRLUmsG eingefügt. Die Regelung stellte zunächst keine besonderen Anforderungen an die Erstausbildung und war rückwirkend ab dem VZ 2004 anzuwenden. Das Werbungskostenabzugsverbot für Erstausbildungen nach § 9 Abs. 6 EStG a. F. wurde bereits im Jahr 2019 vom BVerfG als verfassungskonform angesehen. Zur weiteren Hintergrundinformation, siehe unten im Artikel.
Ab dem VZ 2015 wurde die Erstausbildung aber durch das JStG 2015 noch einmal genauer definiert. Seither ist danach grundsätzlich eine Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung mit einer Abschlussprüfung erforderlich. Allerdings werden von Gesetzes wegen auch Berufsausbildungen ohne Abschlussprüfung als Erstausbildung anerkannt oder wenn eine Abschlussprüfungen ohne Teilnahme an der geordneten Ausbildung bestanden wurde.
Zur Neuregelung seit dem VZ 2015 hat sich der BFH zwischenzeitlich ebenfalls geäußert (vgl. BFH-Urteil vom 15.02.2023 - VI R 22/21). Danach ist ein 20-monatiges Praktikum mit anschließender selbständiger gewerblicher Tätigkeit im Bereich der Veranstaltungs- und Showtechnik keine Erstausbildung i.S.d. § 9 Abs. 6 EStG n.F.. Der knapp zweimonatige Lehrgang zum Rettungshelfer aus dem Urteil vom 12.01.2023 (VI R 41/20) würde den aktuellen Anforderungen an eine Erstausbildung ebenfalls nicht mehr genügen.
Die gesetzliche Definition der Erstausbildung für das Werbungskostenabzugsverbot nach § 9 Abs. 6 EStG unterscheidet sich von der Definition für die steuerliche Berücksichtigung von Kindern nach § 32 Abs. 4 EStG